Hitze als wirtschaftliches Risiko – 10 Sofortmaßnahmen für Unternehmen (Haufe Artikel)
- Daniel Schmitz-Remberg
- 16. Juli
- 5 Min. Lesezeit

Die Hitzewellen der vergangenen Wochen zeigen: Die Klimakrise ist endgültig in Deutschland angekommen. Starkregen, Hitze und Trockenheit verändern den Arbeitsalltag vieler Unternehmen. In unserem Artikel erfahren Sie mehr zur Wirkung von Hitze auf den Menschen sowie die Wertschöpfungskette. Und für den Sommer 2025: zehn Hitze-Sofortmaßnahmen für Unternehmen.
Gesundheitliche Risiken: Die schleichende Gefahr
Während Sturmschäden sichtbare Spuren hinterlassen, bleibt Hitze oft die stille Gefahr – mit wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen. Laut Robert-Koch-Institut starben in den vergangenen Jahren in Deutschland jährlich 3.000 bis 10.000 Menschen an den Folgen von Hitze. Die häufigste Todesursache ist die Verschlechterung vorbestehender Erkrankungen. Chronische Erkrankungen der Nieren und des Herz-Kreislaufsystems sind davon am häufigsten betroffen. Die Anzahl an Herzinfarkten und Schlaganfällen nimmt zu. Das gilt insbesondere bei sogenannten Tropennächten. In diesen Nächten fällt die Temperatur nicht unter 20 Grad Celsius. Der Körper kann sich dadurch nicht ausreichend erholen, sodass Erschöpfung und gesundheitliche Folgen zunehmen.
Hitzestress führt außerdem zu psychischen Belastungen. Psychische Erkrankungen verschlechtern sich, aber auch die Belastbarkeit von gesunden Menschen nimmt deutlich ab. Schon bei Temperaturen ab 26 Grad Celsius beginnt die Leistungsfähigkeit vieler Menschen zu sinken.
Laut DAK-Gesundheitsreport 2023 steigen Krankheitstage während Hitzewellen um rund 10 Prozent. Zusätzlich geht Produktivität verloren, weil Kitas und Schulen früher schließen oder ausfallen. Wer Angehörige pflegt, ist während Hitzewellen weniger verfügbar.
Ökonomische Auswirkungen: Millionenverluste durch Hitze
Hitze trifft Unternehmen wirtschaftlich härter als vielfach angenommen. Neben dem Produktivitätsverlust durch die gesundheitlichen Folgen von Hitze gibt es vielfältige weitere Gründe hierfür. Maschinen laufen unzuverlässiger. Die Produktqualität nimmt ab. Die IT-Infrastruktur wird störanfälliger. Schienen- und Straßenschäden, sowie Niedrigwasser in Flüssen führen zu Ausfällen in der Lieferkette. Gleichzeitig steigen die Energiekosten durch stärkere Kühlung.
Hitze verursacht somit harte Produktivitätsausfälle mit direkten Wertschöpfungseinbußen. Dies betrifft insbesondere Industrie und Baugewerbe. Aber auch Landwirtschaft und der Gesundheitssektor sind in besonderem Maß betroffen. Die Prognosen sind alarmierend: Die OECD erwartet weltweit bis 2040 einen Produktivitätsverlust von 1,5 Prozent, bis 2060 sogar bis zu 3,9 Prozent. Die südeuropäischen Länder wie Spanien und Italien sind laut einer aktuellen Studie der Allianz heute schon bei etwa minus 1,2 Prozent bis 1,4 Prozent weniger Wirtschaftswachstum. Ein Hitzetag trifft die Volkswirtschaft in etwa so stark wie ein halber Streiktag.
Mit dem britischen Start-up EHAB hat DSR & Partners einen „ Heatwave Economic Impact Forecast“ entwickelt, der die volkswirtschaftlichen Schäden auf Tagesbasis für die nächsten 15 Tage abschätzt. Allein in Deutschland wird für einzelne Hitzewellen ein Schaden von rund 600 bis 900 Millionen Euro.
Wer ist zuständig? Hitzeschutz als Managementaufgabe
Als Arbeitgeber sind Unternehmen gesetzlich verpflichtet, die Mitarbeitenden vor den Folgen von Hitze zu schützen. Die Arbeitsstättenverordnung ASR A3.5 schreibt ab einer Innenraumtemperatur von 26 °C die Durchführung von Hitzeschutzmaßnahmen vor. Ab einer Innenraumtemperatur von 35 °C dürfen Arbeitsräume nicht mehr genutzt werden. Außerdem muss auch die Gefährdungsbeurteilung nach §5 Arbeitsschutzgesetz Hitzebelastungen berücksichtigen.
Die Planung und Umsetzung von Hitzeschutzmaßnahmen scheitern häufig an fehlendem Problembewusstsein und unklaren Zuständigkeiten. Weil viele unterschiedliche Bereiche, wie Arbeitsschutz, betriebliches Gesundheitsmanagement, Facility-Management, Nachhaltigkeit und Vertrieb. Es sind deshalb klare Prozesse, Zuständigkeiten und Budgets entscheidend. Und am Ende ist jedes Hitzeschutzkonzept nur so gut, wie die Mitarbeitenden, die es umsetzen müssen.
Damit Unternehmen sofort aktiv werden können, haben wir zehn Hitze-Sofortmaßnahmen entwickelt:
Zehn Sofortmaßnahmen für den Sommer - Praxisorientiert und wirksam
Der erste und wichtigste Schritt ist die Anerkennung des Themas und die Benennung von Zuständigkeiten. Wo der Hitzeschutz angesiedelt ist, ist dabei weniger wichtig, als Menschen dafür auszuwählen, die eine hohe intrinsische Motivation für die Planung von Hitzeschutzmaßnahmen haben.
Vor der Maßnahmenplanung muss klar sein, wie Hitze im Unternehmen definiert wird und ab wann Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Je nach Setting eignen sich dafür die Grenzen der Arbeitsstättenverordnung oder die Warnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Letztere sind regional über einen Newsletter abonnierbar. Zusätzlich ist die Warnapp des DWD für alle Mitarbeitenden empfehlenswert.
Die meisten Gebäude haben bereits Kühl- oder Verschattungsanlagen. Diese sollten zwingend im Frühjahr gewartet werden, damit sie im Sommer funktionsfähig sind.
Zur Priorisierung von Hitzeschutzmaßnahmen, müssen die besonders belasteten Orte im Unternehmen erfasst werden. Dabei muss zu Beginn nicht zwangsläufig die Temperatur gemessen werden. Die Mitarbeitenden wissen aus vergangenen Jahren, wo es besonders heiß wird. In Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden können Heatmaps der Gebäude erstellt und Maßnahmen besprochen werden.
Einige Mitarbeitende sind besonders von den gesundheitlichen Folgen von Hitze betroffen. Dies betrifft Menschen mit Vorerkrankungen und Menschen, die im Freien oder an Hitze-Arbeitsplätzen arbeiten. Zur weiteren Priorisierung müssen diese Gruppen erfasst werden.
Ein Hitzeschutzkonzept ist nur so gut, wie die Mitarbeitenden, die es umsetzen müssen. Dazu gehört auch, dass Mitarbeitende sich hitzebewusst verhalten. Um das zu vereinfachen, lohnt es sich, ein Hitze-Infopaket für alle Mitarbeitenden bereitzustellen. Dabei können bestehende Materialien der Berufsgenossenschaften und der Behörden genutzt werden. Insbesondere Führungskräfte müssen für die Folgen von Hitze sensibilisiert werden.
In den besonders gefährdeten Bereichen und für besonders gefährdete Mitarbeitende müssen Pausen zur Abkühlung systematisch in die Arbeitsabläufe eingeplant werden. So entstehen zwar längere Pausen, aber die Produktivität bleibt insgesamt erhöht.
Kühlwesten unterstützen die Verdunstung und können so den Hitzestress individuell reduzieren. Die unterschiedlichen Anbieter am Markt wurden von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege getestet.
Ein Großteil der Angestellten in Deutschland hat zu Hause bessere Möglichkeiten zur Abkühlung als am Arbeitsplatz. Flexible Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten sind deshalb auch eine Hitzeschutzmaßnahme.
Hitzeschutz ist ein Prozess. Nach dem Sommer sollte deshalb ein Termin mit allen beteiligten Abteilungen vereinbart werden, bei dem die durchgeführten Maßnahmen ausgewertet und weiterentwickelt werden.
Vom Sofortprogramm zur strategischen Klimaanpassung
Kurzfristige Maßnahmen sind wichtig – aber sie reichen nicht aus. Unternehmen benötigen strukturierte Prozesse, um sich dauerhaft gegen die Folgen zunehmender Hitze zu schützen. Wer Gesundheit, Produktivität und Resilienz langfristig sichern will, sollte Klimaanpassung systematisch in Management, Planung und Finanzierung verankern. Hitzeschutzkonzepte sind dabei nicht starr, sondern müssen jährlich evaluiert und weiterentwickelt werden. Dabei haben sich drei strategische Schritte bewährt:
A. Risiken priorisieren und Verantwortlichkeiten klären:Der erste Schritt ist organisatorisch: Klimaanpassung braucht eine feste Verankerung im Unternehmen. Dazu gehört die Benennung klarer Zuständigkeiten, die Einbindung relevanter Fachbereiche und die Entwicklung verbindlicher Entscheidungsprozesse. Aufbauend auf bisherigen Erfahrungen – etwa durch Sofortmaßnahmen oder Standortanalysen – sollten zentrale Risiken identifiziert und priorisiert werden. So entsteht ein belastbarer Rahmen für das weitere Vorgehen.
B. Prozesse aufsetzen und Anpassung steuerbar machen:Klimaanpassung ist ein fortlaufender Prozess, der systematische Steuerung erfordert. Dazu zählen definierte Ziele, ein eigenes Maßnahmenbudget sowie regelmäßiges Monitoring – zum Beispiel durch Temperaturdaten, Ausfallzeiten oder Rückmeldungen der Mitarbeitenden. Diese Kennzahlen helfen, Fortschritte messbar zu machen und Anpassungen kontinuierlich zu verbessern. Klimaanpassung wird so Teil der operativen Unternehmensführung.
C. Investitionen planen und strukturiert umsetzen:Anpassungsmaßnahmen verursachen Kosten – aber vor allem vermeiden sie Schäden. Deshalb braucht es eine vorausschauende Investitions- und Finanzplanung: Welche baulichen, technischen oder organisatorischen Maßnahmen sind notwendig? Wo lassen sich bestehende Mittel – etwa aus Instandhaltungs- oder Gesundheitsbudgets – nutzen oder mit Fördermitteln kombinieren? Eine klare Maßnahmen-Roadmap hilft, Investitionen zu priorisieren und Resilienz strukturiert aufzubauen.
Fazit
Hitze ist kein Randphänomen mehr – sondern ein systemrelevantes Thema für Gesundheit, Produktivität und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit. Unternehmen, die jetzt handeln, sichern sich nicht nur gegen kurzfristige Ausfälle ab, sondern stärken auch ihre strategische Resilienz. In unserem nächsten Artikel werden wir darauf eingehen, wie sie den Verlust durch Hitze konkret messen und managen können.
Von Dr.Andrea Nakoinz & Daniel Schmitz-Remberg




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