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Risikomanagement und Klimawandelanpassung




„Schokolade steht auf dem Spiel“ oder: wie das Risikomanagement die Klimaanpassung ignoriert. Dieser Teil unserer Serie zur Klimawandelanpassung zeigt zehn Gründe auf, warum Climate Adaption in vielen Unternehmen noch zu wenig Beachtung findet.

In unseren Gesprächen mit Unternehmen hören wir oft, dass das Risikomanagement ja bereits alle Risiken auf dem Schirm hat bzw. umfänglich erfasst. Ja, in der typischen jährlichen Risiko-Abfrage werden meist Fragebögen versandt und die einzelnen Verantwortlichen der Geschäftsbereiche gefragt, welche Risiken es gibt und wie hoch diese sind. (z.B. < 5 Mio. Euro, 5 Mio. Euro – 20 Mio. Euro, oder > 20 Mio. Euro). Dann erhält der Risikomanager oder -managerin zum Teil über 100 Rückläufe mit subjektiv eingeschätzten Risiken. Auf diese Weise werden bekannte Risiken erfasst. Nicht erfasst werden Risiken, die sich erst nach eingehender Betrachtung und Analyse durch fachkundige Experten greifbar machen lassen.

Schauen wir auf ein fiktives Schokoladenbeispiel:

Stellen Sie sich ein multinationales Unternehmen mit Sitz in Europa vor, das Kakao aus Westafrika für seine Premium-Schokoladen bezieht. Nach Jahren konstanten Wachstums und verlässlichen Lieferungen stehen sie plötzlich vor einem massiven Kakao-Engpass. Was war passiert? Anhaltende Dürren, die den Anbau in ihren wichtigsten Bezugsregionen beeinträchtigen. Das europäische Risikomanagement des Unternehmens hatte Strategien für lokale politische Instabilität oder kurzfristige Marktschwankungen entworfen, übersah jedoch die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf seine Lieferkette. Für diesen Engpass, der die gesamte Region betraf, gab es keinen Plan B. Solche Lücken unterstreichen die Dringlichkeit, die Klimaanpassung in traditionelle Risikobewertungen zu integrieren. (Mehr über die Gefahr für den Kakao erfahren Sie hier.)

Dieses oder auch andere Beispiele, die Sie vielleicht aus Ihrem Unternehmen kennen, sprechen dafür, die Integration der Klimawandel-Auswirkungen in das betriebliche Risikomanagement voranzutreiben. Es scheint aber Gründe zu geben, warum sich dies oft noch schwierig gestaltet. Woran liegt das? Diese zehn (und noch einige andere) Hindernisse sind je nach Unternehmen unterschiedlich ausgeprägt:

1. Kurzfristige Ausrichtung

Traditionelles betriebliches Risikomanagement konzentriert sich auf unmittelbare Bedrohungen, kann jedoch langfristige Herausforderungen wie den Klimawandel übersehen oder unzureichend priorisieren, insbesondere wenn sie sich schrittweise oder außerhalb typischer Berichtszyklen manifestieren. Die Richtlinie IAS 37 bezeichnet dies als „Eventualschuld“ für die keine Rückstellungen zu bilden sind.

Wo dahingegen Rückstellungen gebildet werden, ist die Wahrscheinlichkeit und Stringenz von Präventivmaßnahmen/Risikomanagement deutlich höher. Eine passende Kennzahl, die das in den Blick nimmt, wäre etwa ROCE („Return on Capital Employed“)

Es gibt jedoch mehrere Standards, die eine langfristige Perspektive fordern (z.B. SASB, ISSB, CSRD, TCFD, GRI).

2. Mangel an Bewusstsein und Bildung

Nicht alle Unternehmensführer und Entscheidungsträger sind ausreichend über die spezifischen Risiken informiert, die der Klimawandel für ihre Betriebe, Lieferketten oder Marktnachfrage darstellt. Dies kann zu einer Unterschätzung oder völligen Ignoranz solcher Risiken führen („Das wird schon nicht so schlimm“).

3. Wahrgenommene Komplexität

Die Klimawissenschaft ist komplex, und die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels auf bestimmte Branchen, geografische Standorte oder ganze Wertschöpfungsketten können schwer mit Präzision vorhergesagt werden. Diese wahrgenommene Komplexität kann Unternehmen davon abhalten, fundierte wissenschaftliche Prognosen in die Risikobewertungen zu integrieren. Getreu dem Motto, nichts ist so unsicher wie Vorhersagen, insbesondere über die Zukunft, werden traditionell historische Daten extrapoliert. So können exponentielle Risiken (s.a. Chart der Erwärmung) nur unzureichend erfasst werden.

4. Unzureichende Daten und Werkzeuge

Historisch gesehen hatten viele Unternehmen keinen Zugang zu granularen Daten oder Werkzeugen, um die potenziellen Auswirkungen des Klimawandels auf ihre spezifischen Operationen zu modellieren. Dank der Fortschritte in Technologie, Wissenschaft und Datenanalytik hat sich dies inzwischen geändert, vielen potenziellen Nutzern in Unternehmen ist dies jedoch noch nicht bekannt oder es gibt Berührungsängste. Die Einführung und Nutzung digitaler Klimarisikoanalyselösungen erfordert zwar Fachkompetenz, diese ist inzwischen am Arbeitsmarkt sowie über externe Dienstleister hinreichend verfügbar.

5. Renditeorientierung

Investitionen in die Klimaanpassung können kostspielig sein, und in Abwesenheit klarer Investitionsrenditen stellen einige Unternehmen diese Investitionen zugunsten anderer mit klarerem, kurzfristigem ROI zurück. Nur wenige Firmen arbeiten mit einem Return on Resilience Investment („RORI“), die einen Abgleich des Werts der Klimarisikoreduktion mit anderen Investitionen ermöglicht.

6. Regulatorisches Umfeld

Bisher fehlten gesetzliche Vorschriften und damit zwingende Anreize, die Unternehmen verpflichten, Klimarisiken zu berücksichtigen. Eine vielversprechende Entwicklung in diesem Kontext ist die CSRD, die Tausende in der EU tätige Unternehmen auffordert, sowohl positive als auch negative Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Geschäft zu bewerten. Oft wird dies jedoch als regulatorische Pflichtübung gesehen, die mithilfe einiger weniger Experten-Interviews abgewickelt wird. Es fehlt die fundierte Betrachtung, die wirklich strategische Gestaltungsmöglichkeiten für das Geschäft aufzeigen könnte.

7. Druck der Stakeholder

Historisch gesehen haben sich Aktionäre und andere Schlüsselakteure insbesondere auf die Dekarbonisierung der Unternehmen fokussiert. Der Klimaanpassung wurde bisher wenig Bedeutung zugemessen. Mit zunehmendem Bewusstsein gibt es jedoch jetzt wachsenden Druck von Investoren, Kunden und sogar Mitarbeitenden, nachhaltige und adaptive Praktiken zu priorisieren.

8. Kulturelle und organisatorische Trägheit

Die Änderung des Risikomanagementansatzes eines Unternehmens erfordert Veränderungen in Kultur, Denkweise und manchmal Organisationsstrukturen. Widerstand gegen Veränderungen und Trägheit können als Barrieren wirken. Die betroffenen Bereich Finance, Supply Chain und Nachhaltigkeit haben derzeit noch andere Prioritäten.

9. Missverständnis des Umfangs

Einige Unternehmen könnten glauben, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf bestimmte Sektoren (zum Beispiel Landwirtschaft) beschränkt sind. Das Verständnis, dass der beschleunigende Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten schlimmer wird und damit sämtliche Bereiche des Lebens betrifft, ist nur schwer zu vermitteln. Es entsteht hier ein universelles Risiko, für das neue Herangehensweisen gefunden werden müssen.

10. Externalisierung der Kosten

Unternehmen könnten glauben, dass die Kosten für die Klimaanpassung von anderen (Regierungen, Versicherern oder der Gesellschaft insgesamt) getragen werden und daher nicht das sofortige Bedürfnis verspüren, diese Kosten und Risiken zu internalisieren. Allerdings passen Versicherungen bereits ihre Policen an, sodass in bestimmten Regionen die Preise steigen, bzw. nichts mehr versichert werden kann. Der steigende Umfang der Schäden in Milliardenhöhe zeigt ein klares Bild. SwissRe geht von jährlichen Schäden bis 2050 von bis zu 18 Prozent der weltweiten jährlichen Wirtschaftsleistung aus.

Klimawandelanpassung zur Zukunftssicherung des Unternehmens

Zurück zu unserem multinationalen Unternehmen: Der Kakaomangel bedrohte nicht nur die Gewinnmarge des Unternehmens, sondern schädigte auch seinen Markenruf. Kunden, die ihre Premium-Schokoladen liebgewonnen hatten, fanden leere Regale oder eine schlechtere Produktqualität aufgrund von Beschaffungsschwierigkeiten vor. Die Auswirkungen erfassten dann auch die Einzelhändler, Mitarbeiter und Investoren.

Was ist also die Lehre? Die Auseinandersetzung mit der Klimaanpassung geht nicht nur darum, Katastrophen zu vermeiden; es geht darum sicherzustellen, dass das komplexe Netzwerk des globalen Geschäfts – von Kakaobauern in Westafrika bis zu Schokoladenliebhabern in Berlin – robust und widerstandsfähig bleibt. In einer Welt, die zunehmend durch Klimaunsicherheiten geprägt ist, werden Unternehmen, die diese Anpassungen proaktiv in ihre Risikomanagementprozesse einbeziehen, nicht nur ihre Geschäftsprozesse schützen, sondern auch einen Wettbewerbsvorteil erlangen.

Am Ende steht mehr als nur Schokolade auf dem Spiel; es geht um die zukünftige Resilienz des globalen Geschäfts in einer sich ständig wandelnden Klima-Landschaft. „The era of global warming has ended; the era of global boiling has arrived“, so sagte UN-Generalsekretär António Guterres. Lassen Sie Ihre Schokolade nicht schmelzen!

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